Vermessung einst und jetzt
Ein Rückblick auf mein Berufsleben – vom Ende 1960er-Jahre bis etwa 2015.
Dazu muss ich sagen, dass ich ausschließlich in Geometerbüros gearbeitet habe. Aus dieser Sicht ist auch der Rückblick zu verstehen.
Vielleicht weckt die Seite bei älteren Berufskollegen die eine oder andere Erinnerung, oder sie zeigt jüngeren Kollegen oder interessierten Laien wie man früher gearbeitet hat, bzw. wie sich so manches entwickelt hat.
Vermessungstechniker haben zwei Hauptaufgabenbereiche. Das eigentliche Vermessen, die sogenannte Feldarbeit – die aber nur in den seltensten Fällen auf dem Feld erfolgt, sondern hauptsächlich im verbauten Gebiet, auf Verkehrswegen und vor allem auf Baustellen. Der andere ist die Arbeit im Büro, dort erfolgt die Berechnung und Auswertung der Messdaten sowie die Planerstellung.
(Ver-)Messung:
Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, misst man in der Natur (oder der
Baustelle …) Richtungen und Strecken.
Die ersten Messgeräte, die ich kennen gelernt habe, waren der Theodolit Wild-T2, ein sehr genaues Gerät (0.0001gon) und der Tachymeter Wild-RDS.
Mit dem konnte man Dank der Reichenbachschen Distanzfäden auch Entfernungen messen, allerdings nur auf Dezimeter genau. Zentimetergenaue Entfernungen hat man in dieser Zeit hauptsächlich mit dem Maßband gemessen. Die Messung mit der Basislatte war eine weitere, allerdings aufwendigere Möglichkeit.
Anfang bis Mitte der siebziger Jahre kamen dann die ersten handlicheren elektronischen Distanzmesser auf den Markt – z.B. Wild DI3 (ca.1973) – sie wurden in Kombination mit einem Theodoliten verwendet. Die Meßdaten mussten aber immer noch aufgeschrieben werden. Das änderte sich etwa 1978 – der wahrscheinlich erste elektronische Tachymeter war der Wild TC1.
Damit wurden nicht nur die Messdaten automatisch gelesen, sondern auch noch auf einem Magnetband gespeichert. Ablesen und aufschreiben der Messdaten war ja immer eine Fehlerquelle. Im Lauf der Zeit ersetzten dann Speicherkarten das Magnetband.
Der nächste größere Schritt war um die Jahrtausendwende die GPS-Messung, die mit vertretbarem Aufwand eine brauchbare Genauigkeit erreichte und die reflektorlose Distanzmessung, die vor allem bei Innenaufnahmen eingesetzt wird. Es gibt auch Tachymeter mit eingebauter Kamera, die macht dann auch gleich ein Foto vom vermessenen Punkt.
Sehr detailierte Bauwerke erfasst man am besten mit einem Laserscanner.
Heute kann man das Messgerät auch schon mit CAD kombinieren (z.B. Laptop) und somit in gewissem Umfang gleich im Feld auswerten.
Berechnung:
Die Koordinatenberechnung gehört meist – auch heute noch – zu den Aufgaben derer, die draußen gemessen haben, denn nur sie wissen, wie sie die Messung angelegt haben.
In den Sechzigern wurden die Meßdaten aufgeschrieben und im Büro mit Hilfe von Winkelfunktionstafeln (Sinus, Cosinus,…) und mechanischen Rechenmaschinen die Koordinaten berechnet und notiert.
Mit der Brunsviga Doppelmaschine konnte man sogar Y und X gleichzeitig berechnen.
Auch “Computer” gab es schon, zumindest nannte man die programmierbaren, elektronischen Tischrechner oft so. Zum Diehl Algotronic gabs noch ein Lochstreifen-Stanzgerät, damit konnte man sich eigene Programme erstellen. Allerdings waren die Möglichkeiten beschränkt – ein heutiger programmierbarer Taschenrechner kann weit mehr. Die Ergebnisse wurden zwar ausgedruckt, allerdings recht unübersichtlich auf einem schmalen Papierstreifen und nur numerisch.
Diese Rechenmaschinen seien als Beispiel genannt. In anderen Firmen wird es ähnlich gewesen sein, auch wenn die Rechenmaschinen möglicherweise andere waren.
Für Berechnungen im Feld gab es eine kleine Kurbelmaschine – die Curta – und ab etwa 1975 programmierbare Taschenrechner – Texas SR52 und Hewlett-Packard HP65. Die Programme waren auf Magnetkarten gespeichert und das Leistungsvermögen entsprach etwa dem der elektronischen Tischrechner – meist ein Programm (Polarpunkt, Geradenschnitt, Fläche,…) pro Lochstreifen bzw. Magnetkarte. Die Ergebnisse musste man allerdings wieder aufschreiben.
Der Fortschritt in der EDV – bis hin zum PC – hat natürlich auch die geodätischen Berechnungen erleichtert. Punktkoordinaten wurden erst auf Magnetkarten, später auf Magnetbändern und Festplatten gespeichert. Natürlich hat nach dem PC auch das Internet Einzug gehalten und die Software wurde weiterentwickelt.
Hat man früher jeden einzelnen Punkt durch Eingabe der Messdaten berechnet, werden heute die vom Messgerät gespeicherten Daten eingelesen und die ganze Aufnahme – mehr oder weniger automatisch – berechnet.
Auswertung:
Hatte man dann die Koordinaten, ging es ans kartieren – das lagerichtige Auftragen der Punkte. Das Werkzeug dazu war der Koordinatograph. Etwa Mitte der 1970er-Jahre wurde der Koordinatograph durch einen Punktplotter ersetzt. Dieser wurde vom Rechner angesteuert und mit den Punktkoordinaten beschickt. Das mühsame Kartieren und die damit verbundenen möglichen Fehler waren damit Geschichte.
Das Ergebnis war in beiden Fällen lagerichtige Punkte auf einem Blatt Papier – die galt es nun zu verbinden – mit Hilfe der Feldskizze und weiterer Unterlagen (z.B. Katastermappe) wurde daraus ein Plan. Diese weiteren Unterlagen hat man im Vermessungsamt (z.B. Mappenkopie, Vorauspläne, …) oder bei diversen Leitungsbetreibern (Kanal, Wasser, Strom, …) abgezeichnet bzw. abgeschrieben, später fotokopiert.
Heute gibt es die digitale Katastralmappe und die Grundstücksdatenbank. Zugangsberechtigte (z.B. Vermessungsbüros, Notare, etc.) holen sich die Daten über’s Internet und Erhebungen bei den Leitungsbetreibern erfolgen meist per E_Mail.
Planzeichnung:
Um Pläne auch vervielfältigen zu können, wurde eine Matrizze auf Transparentpapier erstellt – die eigentliche Reinzeichnung des Planes.
Die Linien zeichnete man bis in die 1970er-Jahre mit Graphosfedern – (Typ A), die Punktringerl mit dem Nullenzirkel und für die Beschriftung gab’s spitze Schreibfedern oder Redisfedern.
Dann kamen Beschriftungsschablonen und diverse Beschriftungsgeräte, später die Tuschefüller auf den Markt, die das Zeichnen erheblich erleichterten.
Einen handgezeichneten Planausschnitt von damals hab ich leider nicht zur Verfügung. Aber ein Jahrhundert früher konnte man offensichtlich eh viel besser zeichnen: Nordbahnhof Wien 1870 oder Lusthaus Stuttgart
Genauigkeit:
Auf Papierplänen hat man verschieden dicke, eventuell auch farbige Linien gezeichnet. Das ließ Rückschlüsse auf deren Bedeutung zu – z.B. waren dicke Linien oft Grundstücksgrenzen oder Gebäude. Meist ging die Bedeutung einer Linie aus einer Signatur hervor – die gibt’s zwecks besserer Lesbarkeit auch heute noch – aber man konnte die auch weglassen, dann war die Linie halt “irgendwas”, ohne Angabe, was sie darstellt – z.B. im Randbereich.
Exakte, zentimetergenaue Daten vermittelten nur die ausgewiesenen Punktkoordinaten oder eingetragene Maße. Diese Informationen gab es aber nur in den wesentlichen Planteilen, z.B. nur für das betroffene Grundstück. Darüber hinaus blieb nur mehr das grafische Abmessen, z.B. mit einem Prismenmaßstab – mit den entsprechenden Einbußen an Genauigkeit, abhängig vom Maßstab des Planes.
Vervielfältigung:
Meist wurden Lichtpausen angefertigt, nur bei größeren Plänen, z.B. Parzellierungen – mit viel Farbanteil – ließ man Drucke erstellen. Allerdings mußte dann auch für jede Farbe eine eigene Matrize gezeichnet werden.
CAD:
Anfang der 1980er-Jahre erobert CAD (Computer Aided Design) – das rechnerunterstützte Konstruieren – die Vermessungsbüros. Grafik-Monitore und entsprechende Software machen es möglich, dass von da ab der Plan am Computer ausgewertet bzw. gezeichnet wird. Die Trennung von Auswertung, Planzeichnung und Vervielfältigung ist damit Geschichte. Allerdings wird dadurch auch jede Menge “neues Wissen” notwendig (EDV im Allgemeinen, CAD-Software im Besonderen). Das fördert die Spezialisierung, denn wer nicht ständig “rudert” bleibt zurück.
Ich hatte meine ersten Kontakte mit CAD ca. 1983. Es gab damals noch spezielle CAD-Bildschirme (ich glaube, nahezu 50 kg schwer) und die Software war speziell für das damalige Projekt erstellt.
Das erste Mal auf AutoCAD gearbeitet habe ich dann 1993 – damals noch eine DOS-Version. => mehr zu CAD
Lieferung:
Wurde früher ein Satz Papierpläne geliefert, so ist das heute eher die Ausnahme – ev. an private Auftraggeber oder zur Dokumentation. In der Regel werden Plandateien geliefert, die die Auftraggeber dann weiter bearbeiten oder als Planungsgrundlage verwenden können.
Arbeitsbedingungen:
Aber im Berufsbild eines Vermessers hat sich nicht nur technisch vieles geändert. Wie wohl in den meisten anderen Branchen, haben sich auch die Arbeitsbedingungen geändert – zum Beispiel:
Erst messen UND DANN den Plan zeichnen – das war einmal die Regel – heute nur mehr die Ausnahme. Die beiden verm. techn. Aufgabenbereiche hab ich ja oben bereits erwähnt.
Früher war es noch so, dass Messung und Planerstellung oft von derselben Person durchgeführt wurde. Das bedeutete Abwechslung, die man aber heute kaum mehr findet. Heute spezialisiert man sich entweder auf die Messung draußen oder die (CAD-)Auswertung im Büro. Das bedeutet aber unter Umständen auch, messen bei Regen, Schnee und Kälte, umgekehrt sitzt man auch bei schönstem Wetter im Büro (aber immer noch besser, als die Arbeit auf einer Baustelle).
Bis Anfang der 70er-Jahre hat man in warmen Jahreszeit eher gemessen und sich die Auswertung – so weit es ging – für den Winter aufgehoben. Wer mal ein Maßband durch den Schnee gezogen und dann versucht hat, es aufzurollen, weiß warum.
Verschneite Grenzsteine, nicht sichtbare Straßenränder, Oberflächengrenzen und dergleichen, können zwar auch in jetzigen Wintern ein Problem sein, aber viele Auftraggeber wollen die Planlieferung “sofort”.
Da hat doch tatsächlich mal ein Liegenschaftsverwalter(!) gefragt, ob wir nicht einen Teilungsplan auf Lager hätten … 😉 Bei so kurzen Lieferfristen wären Messung und Auswertung hintereinander nicht möglich. Da muss eine weitere Person bereits mit der Auswertung beginnen, bevor die Erste mit der Messung fertig ist.
Auch der MessTRUPP ist Geschichte …
Ein Messtrupp bestand bis vor etwa 3-4 Jahrzehnten idealerweise aus drei Personen – Partieführer, Messtechniker und Messgehilfe – zumindest aber aus zwei Personen. Damals konnte sich der Partieführer auf das Wesentliche konzentrieren und Aufgaben delegieren. Dann begann man einzusparen. Heute ermöglichen ferngesteuerte Messgeräte mit Motorisierung und automatischer Zielerfassung die Ein-Personen-Vermessung. Da muss man dann alles alleine machen – Geräte schleppen, Punkte vermarken und signalisieren, Gerätebedienung, Skizzen führen usw. Dazu kommt heute zusätzlicher Infomationsbedarf. In analogen Plänen konnte man einfach eine Linie zeichnen, ohne Koordinaten oder Maße anzugeben und ohne Information, was sie darstellt. Seit der Einführung von CAD ist auch noch darauf zu achten, dass die Aufnahme entsprechend der eventuell vorgegebenen Datenstruktur ausgewertet werden kann. Die “dumme Linie”, die man einfach so gezeichnet hat, gibt es ja dann nicht mehr.
Möglich, dass andere Kollegen etwas andere Erfahrungen gemacht bzw. in Erinnerung haben, hängt wahrscheinlich auch vom Arbeitsbereich ab (Geometerbüro, Vermessungsamt, Baufirma, Bergbau, usw.). Aber ich finde, im Großen und Ganzen hat sich im Vergleich zu manch anderen Berufen, doch recht viel verändert.
*) Diese Bilder wurden freundlicherweise von www.wild-heerbrugg.com zur Verfügung gestellt